ich war männlich ...

  • Ich war männlich, verwegen, ich war frei und hatte lange Haare.

    Meine Frau lernte mich kennen, nicht umgekehrt. Sie stellte mir förmlich
    nach. Egal wo ich hinkam, sie war schon da. Es ist nun zwölf Jahre her.
    Damals war ich eingefleischter Motorradfahrer, trug nur schwarze
    Sweat-Shirts, ausgefranzte Jeans und Bikerstiefel, und ich trug lange
    Haare.

    Selbstverständlich hatte ich auch ein Outfit für besondere Anlässe. Dann
    trug ich ein schwarzes Sweat-Shirt, ausgefranzte Jeans und weisse
    Turnschuhe.

    Hausarbeit war ein Übel, dem ich wann immer es möglich war aus dem Weg
    ging.

    Aber ich mochte mich und mein Leben. So also lernte sie mich kennen. "Du
    bist mein Traummann. Du bist so männlich, so verwegen und so frei."

    Mit der Freiheit war es alsbald vorbei, da wir beschlossen zu heiraten.
    Warum auch nicht, ich war männlich verwegen, fast frei und ich hatte lange
    Haare.

    Allerdings nur bis zur Hochzeit. Kurz vorher hörte ich sie sagen:" Du
    könntest wenigstens zum Frisör gehen, schliesslich kommen meine Eltern zur
    Trauung." Stunden, - nein Tage später und endlose Tränen weiter gab ich
    nach
    und liess mir eine modische Kurzhaarfrisur verpassen, denn schliesslich
    liebte ich sie, und was soll`s, ich war männlich, verwegen, fast frei und
    es
    zog auf meinem Kopf. Und ich war soooo lieb.

    "Schatz ich liebe Dich so wie Du bist" hauchte sie.
    Das Leben war in Ordnung obwohl es auf dem Kopf etwas kühl war. Es folgten
    Wochen friedlichen Zusammenseins bis meine Frau eines Tages mit einer
    grossen Tüte unterm Arm vor mir stand. Sie holte ein Hemd, einen Pollunder
    (Bei dem Wort läuft es mir schon eiskalt den Rücken runter ) und eine neue
    Hose hervor und sagte:" Probier das bitte mal an." Tage, Wochen, nein
    Monate
    und endlose Papiertaschentücher weiter gab ich nach, und trug Hemden,
    Pollunder ( Ärrrgh) und Stoffhosen. Es folgten schwarze Schuhe Sakkos,
    Krawatten und Designermäntel. Aber ich war männlich, verwegen, todchic und
    es zog auf meinem Kopf. Dann folgte der grösste Kampf. Der Kampf ums
    Motorrad. Allerdings dauerte er nicht sehr lange, denn im schwarzen Anzug
    der ständig kneift und zwickt lässt es sich nicht sehr gut kämpfen.
    Ausserdem drückten die Lackschuhe was mich auch mürbe machte. Aber was
    soll`s, ich war männlich, spiessig, fast frei, ich fuhr einen Kombi, und es
    zog auf meinem Kopf.

    Mit den Jahren folgten viele Kämpfe, die ich allesamt in einem Meer von
    Tränen verlor. Ich spülte, bügelte, kaufte ein, lernte Deutsche Schlager
    auswendig, trank lieblichen Rotwein und ging Sonntags spazieren. Was soll`s
    dachte ich, ich war ein Weichei, gefangen, fühlte mich scheisse und es zog
    auf dem Kopf.

    Eines schönen Tages stand meine Frau mit gepackten Koffern vor mir und
    sagte:" Ich verlasse Dich." Völlig erstaunt fragte ich sie nach dem Grund.
    "Ich liebe Dich nicht mehr, denn Du hast Dich so verändert. Du bist nicht
    mehr der Mann den ich mal kennengelernt habe."

    Vor kurzem traf ich sie wieder.
    Ihr "Neuer" ist ein langhaariger Biker mit zerrissenen Jeans und
    Tättowierungen der mich mitleidig ansah.

    Ich glaube ich werde Ihm eine Mütze schicken.

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