-----------------------------------------------------------------------------------------------
Marienerscheinung in den USA
Heilige Maria der Autobahnbrücke?
Von Georg Schwarte, NDR-Hörfunkkorrespondent, Washington
Hunderte Kerzen stehen vor einem grauen, mit Spritzern und Flecken überzogenen Brückenpfeiler. Oben auf dem Kennedy-Freeway staut sich Chicagos Feierabendverkehr, unten vor dem Brückenpfeiler ein Stau der anderen, der frommen Art. Von überall her pilgern sie zu etwas, das die Straßenverkehrsbehörde von Chicago als "streusalzdurchzogenen Wasserfleck" bezeichnet hat. Obdulia Delgado aber hat in dem Fleck die Jungfrau Maria erkannt. Sie war die erste und verursachte ausgerechnet am Tag, als der neue Papst gewählt wurde, ein Verkehrschaos, als sie gebannt ihr Auto stoppte, und auf den Fleck starrte. Jetzt kommen Hunderte zur Heiligen Jungfrau der Autobahnbrücke: "Ich habe meine Mutter mitgebracht. Sie haben gerade eine schwere Krankheit bei ihr entdeckt, und sie hofft, Maria wird ihr helfen", sagt eine verzweifelte junge Frau.
Sichtbar nur mit Digital-Kamera
Der Verkehr unter der Brückendurchfahrt ist längst zusammengebrochen. Die Polizei hat die Straße gesperrt, Gläubige haben das Bild des verstorbenen Papstes neben den marienähnlichen Wasserfleck gehängt und jetzt beten sie dort den Rosenkranz. Wer allerdings auf den Brückenpfeiler schaut, entdeckt erst einmal gar nichts. Denn Maria zeigt sich erst, wenn sie mit Digital- oder Handykamera fotografiert wird. "Als ich ein Bild von ihr gemacht habe, da konntest Du die Augen, die Haare, den Schleier sehen. Und wen man einfach so drauf guckt sieht's wie ein Schmutzfleck aus", sagt einer der Pilger. "Erstaunlich", findet er.
Maria auf dem Käsebrot
Oder auch nicht, denn in den USA hatten sie die Jungfrau Maria zuletzt auf einem Käsebrot gesichtet. Eine Frau hatte das Sandwich 1994 getoastet, reingebissen und aus dem zerschmolzenen Käse habe Maria sie angeschaut. Zehn Jahre verbrachte das Sandwich in einer Tupperdose, dann hat es das Käsebrot samt Marienbildnis im Vorjahr auf 28.000 Dollar via Internetversteigerung bei e-bay gebracht. Der Brückenpfeiler dürfte schwerer zu versteigern sein, aber die Stadt Chicago hat zumindest zugesagt, die verschmutzte Wand erst einmal nicht zu säubern. Das ist ganz im Sinne der Pilger. Viele von ihnen sind mit ihren ganz persönlichen Nöten und Ängsten zum vermeintlichen Marienbildnis gekommen: "Ich habe heute einen Untersuchungstermin für Brustkrebs", weint eine junge Frau. "Ich hoffe, Gott und die Jungfrau machen mich gesund."
"Du fühlst, es ist ein besonderer Ort"
Einen Kartoffelchip in Form der päpstlichen Mitra, der hohen Bischofsmütze, haben sie unlängst in den USA für 1209 Dollar versteigert. Die "Maria der Autobahnbrücke" sei aber etwas Anderes, sagen auskunftsbereite Pilger im amerikanischen Fernsehen. "Wenn Du hier stehst, fühlst Du, hier ist ein besonderer Ort und, in diesen Zeiten mit all den schlechten Nachrichten braucht man etwas Gutes. Und wenn es das hier ist, dann macht's mich froh", sagt ein Mann aus Illinois, der zusammen mit seiner Frau angereist ist.
Manche vergleichen die Brückendurchfahrt bereits mit dem Wallfahrtsort Lourdes. Andere sind da eher skeptisch. Erstens gab es noch kein Wunder und zweitens sieht Maria nur, wer durch eine Digitalkamera schaut.
------------------------------------------------------------------------------------------------
Aua, aua - mein armes Zwerchfell....
